Was wäre, wenn zwischen uns alles klar ist?

Reflexionen vom Klärungshilfe-LAB 2025 – über Verbindung, Verantwortung und Zukunft

„Klärungshilfe? Was ist das eigentlich genau?“

Diese Frage begegnet mir immer wieder – selbst dann, wenn ich denke, dass das Thema längst mehr Raum bekommen haben müsste. Und ehrlich gesagt: Ich verstehe die Frage. Denn Klärungshilfe ist keine Methode, die sich in einem Satz erklären lässt.

Sie ist Haltung. Begegnung. Gespräch. Und manchmal: ein leiser, aber wirksamer Wendepunkt in einem scheinbar unlösbaren Konflikt.

Beim diesjährigen Klärungshilfe-LAB, das sein zehnjähriges Jubiläum feierte, wurde mir erneut bewusst, welche Kraft in dieser Form des Dialogs liegt. Und wie notwendig es ist, dass wir Klärungshilfe weiterdenken – fachlich, gesellschaftlich, menschlich.

Verbindung: Wie sie entsteht. Warum sie bleibt.

In diesem Jahr hat mich ein Thema besonders beschäftigt. Verbindung.
Was braucht es, damit sie gelingt? Damit sie entsteht? Damit sie bleibt?

In der Klärungshilfe schaffen wir Räume für genau diese Art der Verbindung. Räume, in denen nicht nur geredet, sondern verstanden wird. Räume, in denen Emotionen nicht als Problem gelten, sondern als Schlüssel zur Klarheit.

Ein kleiner, scheinbar unbedeutender Moment beim LAB hat das für mich fühlbar gemacht. Als Lisa – die Initiatorin des LAB – die Kerzen auf dem Jubiläumskuchen ausblies. Es war setwas besonderes im Raum. Ein ‘Magic Moment’ und Symbol für das, was dieses Treffen ausmacht. Verbindung auf Augenhöhe. Echt. Berührend. Kraftvoll.

Ein Blick zurück – und ganz bewusst nach vorn

Das Motto des diesjährigen LABs lautete: „Ein Blick zurück nach vorn.“ Und dieser Blick hatte es in sich.

Ein besonderes Highlight war das Interview mit Christoph Thomann, dem Mitbegründer der Klärungshilfe. In einem sehr persönlichen Gespräch gab er uns einen seltenen Einblick in seinen Weg und in die Entstehung der Methode, die heute so vielen Menschen Klarheit schenkt.

Er berichtete von seiner frühen Begeisterung für Kommunikation, seiner Suche nach einem Weg, wie Menschen sich wirklich begegnen können. Und wie es zur Begegnung mit Friedemann Schulz von Thun kam. Zwei Männer, die später gemeinsam ein Modell prägten, das heute in unzähligen Kontexten Anwendung findet.

Der Moment ihrer Begegnung – damals noch als Lernende bei Ruth Cohn – war für viele von uns besonders berührend. Denn es erinnerte daran, dass jede Entwicklung mit einer Frage beginnt. Mit einem Suchen. Und mit der Bereitschaft, Neues zu denken.

Was Klärungshilfe heute (und morgen) braucht

Beim LAB ging es auch um die Zukunft. Wie wird sich Klärungshilfe weiterentwickeln? Welche Rolle spielt sie in einer Welt, in der Veränderungen rasant, Beziehungen komplex und Konflikte allgegenwärtig sind?

Wir sprachen über die Verantwortung, die wir als Klärungshelfende tragen. Über neue gesellschaftliche Fragen: Künstliche Intelligenz, Wertewandel, Generationenkonflikte. Und über die Weiterentwicklung unserer Ausbildung, unserer Haltung – und des LABs selbst. All das braucht nicht nur Methodenwissen, sondern auch Mut zur Reflexion. Und die Bereitschaft, sich als lernende Gemeinschaft zu verstehen, statt als fertig ausgebildete Einzelkämpfer:innen.

Ein OpenSpace-Angebot hat mich dabei besonders berührt: „Spiritualität in der Klärungshilfe“. Nicht im Sinne einer religiösen Praxis. Sondern im Wortsinn: Spiritus – der Atem, der Geist, die Essenz.

In dieser Runde ging es darum, wie wir in Klärungsprozessen dem Raum geben können, was nicht gesagt werden kann – aber dennoch wirkt. Wie wir als Klärungshelfende präsent bleiben – auch jenseits der Technik. Wie wir den „Spirit“ eines Gesprächs wahrnehmen, halten und begleiten können. Und welche Rolle unser eigenes inneres Erleben dabei spielt.

Diese Perspektive hat mich bewegt. Denn sie erinnert daran, dass Klärungshilfe nicht nur in Worten stattfindet. Sondern im Dazwischen. Im Spüren. Im gemeinsamen Atem.

Vielleicht ist es genau dieser Aspekt, der Klärungshilfe so besonders macht. Sie ist strukturiert – aber nicht starr. Sie ist klar – und doch offen für das, was größer ist als wir.

Begegnungen auf dem Flur

Ich selbst war in diesem Jahr Teil des Orga-Teams. Das bedeutete nicht nur Aufgaben, sondern auch Begegnungen. Eine einfache Frage wie: „Weißt du, wo der nächste Workshop stattfindet?“ Ein schneller Blick, ein kurzes Gespräch am Frühstückstisch: „Hast du zufällig ein Ladekabel?“ Und plötzlich entsteht Verbindung. Nicht, weil man sie forciert. Sondern, weil sie sich im Raum entfalten darf. Ohne Zwang. Ohne Agenda. Einfach, weil zwei Menschen bereit sind, sich für einen Moment zu begegnen. Genau das ist Klärungshilfe.

Ein Angebot – kein Druck.
Ein Raum – kein Urteil.
Ein echtes Zuhören – statt vorschneller Lösungen.

Verbindung im Orga-Team – ein unsichtbarer Impulsgeber

Ein besonderes Feedback hat uns als Orga-Team sehr berührt. Dass zwischen uns eine besondere Verbindung spürbar war – und sich genau diese Atmosphäre auf das gesamte LAB übertragen hat. Offen, warm, achtsam. 
„Wie habt ihr das gemacht?“, wurden wir gefragt. Ganz ehrlich? Ich weiß es (noch) nicht genau.

Ich glaube nicht, dass es ein „Masterpiece“ war – sondern eher viele kleine, feine Teilchen, die sich zu einem größeren Ganzen gefügt haben:

  • Gemeinsame Werte
  • Eine tiefe Verbindung – auch in der Haltung zueinander
  • Wahrhaftigkeit, statt Perfektion
  • Das Bewusstsein, dass wir alle drinstecken – gemeinsam
  • Die Bereitschaft, uns offen zu zeigen
  • Und zu wissen, dass diese Zeit im Orga-Team endlich ist
  • Dass wir unsere dunklen Seiten kennen – und tragen können
  • Dass wir das Licht dem größeren Ganzen zur Verfügung stellen
  • Ohne Alphagehabe. Ohne Hierarchien. Mit viel Respekt.

Vielleicht braucht es manchmal genau das. Ein Leitstern, der größer ist als das eigene Ego. 
Und das Vertrauen, dass aus vielen Einzelteilen etwas entstehen kann, das wirkt – auch ohne, dass wir es sofort erklären können. Ich werde weiter darüber nachdenken. Denn auch das gehört zur Klärung. Die Verbindung in der Tiefe spüren – bevor sie in Worte gefasst werden kann.

Kann Klärung auch am Lebensende wirken?

Ein weiterer Gedanke hat mich während des LABs besonders intensiv begleitet. Kann Klärung auch am Ende eines Lebens hilfreich sein? Ich bin selbst in der Palliativversorgung und Hospizarbeit tätig. Und ich weiß, wie viele unausgesprochene Sätze, wie viele Missverständnisse, wie viele Verletzungen noch im Raum stehen, wenn ein Mensch geht.

Was wäre, wenn Klärungshilfe auch hier wirksam werden könnte? Wenn Menschen die Möglichkeit hätten, sich noch einmal wirklich zu begegnen – bevor es zu spät ist?

Nicht alles lässt sich heilen. Aber vieles lässt sich klären. Manchmal reicht ein Satz, um leichter gehen zu können. Oder, für die, die bleiben: um mit mehr Frieden zurückzubleiben. Diese Gedanken werde ich mitnehmen. Und vielleicht wird daraus ein neues Angebot entstehen – für Menschen, die noch ein letztes Mal sagen möchten, was wirklich zählt.

Warum mehr Menschen Klärungshilfe kennen sollten

Ich bin überzeugt, dass Klärungshilfe in die Mitte der Gesellschaft gehört. Nicht nur in Konflikte, die eskaliert sind. Sondern in Teams, in Familien, in Organisationen, in Schulen. In Lebensbereiche, in denen Menschen aufeinandertreffen – mit ihren Meinungen, ihren Emotionen, ihren Geschichten.

Ich wünsche mir, dass Kinder lernen, wie Klarheit entsteht. Dass Erwachsene verstehen, dass Konflikte nicht das Ende bedeuten müssen. Und dass Führungskräfte begreifen, dass echte Verständigung mehr bewegt als jedes Tool. Denn Klarheit ist kein Luxus. Sie ist die Voraussetzung für Zusammenarbeit. Für Entwicklung. Für Beziehung.

Was bleibt – und wie es weitergeht

Ich bin vom LAB mit einem Rucksack voller Gedanken zurückgekommen, Fragen und leiser Erkenntnisse. Noch formt sich nicht alles in Worte. Doch ich spüre: Da bewegt sich etwas. In mir. In uns als Community. In der Methode selbst.

Ich werde diese Impulse wirken lassen – und in den kommenden Wochen weiter reflektieren. Was bedeutet Klärung für mich als Coach, als Beraterin, als Trainerin, als Mensch? Wie bringe ich dieses Wissen in meine Angebote? Und wie kann ich Räume schaffen, in denen andere ihre eigene Klarheit finden?

Wenn du magst, begleite mich dabei. Hier im Blog. Auf meinen Kanälen. In meinen Veranstaltungen. Vielleicht entstehen daraus neue Formate, neue Wege. Vielleicht sogar neue Fragen.

Und jetzt an dich

Was wäre, wenn zwischen euch alles klar ist? Nicht alles gut. Nicht konfliktfrei. Nicht perfekt. Klar.

Was würde sich verändern zwischen dir und deinem Team? Zwischen dir und deinen Eltern? Deinen Kolleginnen, deinem Partner, deinen Kindern? Was wäre anders, wenn wir einander nicht bewerten –sondern verstehen?

Ich freue mich, wenn du mir deine Gedanken dazu schreibst. Oder einfach wieder vorbeischaust. Denn Klarheit braucht Raum. Und manchmal entsteht dieser Raum – genau hier.

 

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