Psychische Gesundheit am Arbeitsplatz – Mehr als nur Privatsache
„Psychische Gesundheit ist Privatsache meiner Mitarbeitenden, da habe ich nichts mit zu tun.“
Diese Aussage eines Geschäftsführers mag auf den ersten Blick nachvollziehbar klingen. Schließlich betrifft die seelische Verfassung eines Menschen sein persönliches Wohlbefinden. Doch wenn du denkst, dass psychische Gesundheit am Arbeitsplatz alleinige Angelegenheit deiner Mitarbeitenden ist, übersiehst du eine wesentliche Verantwortung, die du als Arbeitgeber:in, Vorgesetzte:r und Führungspersönlichkeit hast – und das nicht nur aus moralischer Sicht.
Die Realität sieht nämlich so aus: Psychische Gesundheit ist keineswegs nur Privatsache. Sie ein zentrales Thema für jedes Unternehmen. Deine Mitarbeitenden verbringen einen Großteil ihrer Zeit am Arbeitsplatz, und gerade dort entstehen zahlreiche psychische Belastungen, die die Gesundheit und Leistungsfähigkeit nachhaltig beeinträchtigen können.
Als Führungspersönlichkeit bist du verpflichtet, diese Belastungen nicht nur zu erkennen, sondern aktiv Maßnahmen zu ergreifen, um das Wohlbefinden deines Teams zu schützen.
Psychische Belastungen – Ein unterschätztes Risiko
Psychische Belastungen am Arbeitsplatz können vielfältig sein: Zeitdruck, hohe Arbeitsbelastung, unklare Aufgabenstellungen oder mangelnde Unterstützung durch Vorgesetzte und Kollegen sind nur einige Beispiele. Diese Stressfaktoren wirken sich direkt auf die Psyche deiner Mitarbeitenden aus und können im schlimmsten Fall zu Burnout, Depressionen oder anderen ernsthaften psychischen Erkrankungen führen.
Ein praxisnahes Beispiel:
Ein Mitarbeiter in einem Großraumbüro ist permanentem Lärm, ständigen Unterbrechungen und hoher Arbeitslast ausgesetzt. Er fühlt sich zunehmend erschöpft, kann sich kaum noch konzentrieren und verliert langsam die Motivation. Hier handelt es sich nicht um einen Einzelfall, sondern um eine Realität, die in vielen Unternehmen zu beobachten ist. Diese psychischen Belastungen bleiben oft unbemerkt – oder schlimmer noch – werden einfach weg-ignoriert.
Erlaube mir ein weiteres praxisnahes Beispiel, von dem insbesondere wir Frauen betroffen sind, da wir die hauptsächliche Care-Arbeit übernehmen:
Eine Mitarbeiterin, die in Teilzeit arbeitet, um sich neben dem Job um ihre Kinder und die alternden Eltern zu kümmern, erlebt regelmäßig Konflikte zwischen den Anforderungen ihrer Arbeit und den Bedürfnissen ihrer Familie. Trotz der reduzierten Arbeitszeit spürt sie den Druck, beruflich voll leistungsfähig zu sein und gleichzeitig allen familiären Verpflichtungen gerecht zu werden. Die ständige Sorge, entweder den Job oder die Familie zu vernachlässigen, führt zu einem Gefühl der Überforderung und emotionalen Erschöpfung. Diese Doppelbelastung wird langfristig zu ernsthaften psychischen Problemen und letztlich zum krankheitsbedingten Ausfall der Mitarbeiterin führen.
Gesetzliche Vorgaben: Deine Pflicht als Führungspersönlichkeit
Das psychische Gesundheit auch Arbeitgeberangelegenheit ist, unterstreicht der Gesetzgeber eindeutig. Nach dem Arbeitsschutzgesetz (§ 5 ArbSchG) bist du verpflichtet, eine Gefährdungsbeurteilung für alle Tätigkeiten im Betrieb durchzuführen. Dabei müssen auch psychische Belastungen berücksichtigt werden. Du hast dafür zu sorgen, dass diese Gefährdungen minimiert werden – sei es durch organisatorische Maßnahmen, die Verbesserung der Arbeitsumgebung oder durch entsprechende Schulungen für Führungskräfte und Mitarbeitende.
Es reicht also nicht aus, physische Risiken zu reduzieren. Auch psychische Belastungen müssen erkannt und aktiv angegangen werden. Das bedeutet, dass du Strukturen schaffen musst, die die psychische Gesundheit fördern – beispielsweise durch die Bereitstellung von Ressourcen für Stressbewältigung oder durch die Etablierung einer offenen Kommunikationskultur, in der Mitarbeitende ohne Angst vor Stigmatisierung über ihre Belastungen sprechen können. Und denke auch immer wieder daran, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Familie eine enorme psychische Belastung darstellen kann, die du unbedingt ebenfalls als fürsorgliche Führungspersönlichkeit berücksichtigen solltest.
Praktischer Tipp: Offene Kommunikation fördern
Ein wirkungsvoller erster Schritt, um als Führungspersönlichkeit der Verantwortung für die psychische Gesundheit gerecht zu werden, ist die Schaffung einer offenen, aufrichtigen und beiderseitigen Kommunikationskultur.
Regelmäßige Check-Ins mit deinen Mitarbeitenden, bei denen nicht nur über Aufgaben und Projekte gesprochen wird, sondern auch über das persönliche Befinden, können viel bewirken. Habe echtes Interesse an der Situation deiner Mitarbeitenden, frage nach ihrer Arbeitsbelastung und biete Unterstützung an.
Durch diese regelmäßigen Gespräche kannst du frühzeitig erkennen, wenn jemand überlastet ist oder Unterstützung benötigt. Oftmals liegt es nämlich gar nicht an einer einzelnen Person, sondern am Gesamt-System. Nutze diese Gespräche, um zu erfahren, wie theoretische Strukturen im Arbeitsalltag funktionieren und frage deine Mitarbeitende, welche Lösungsideen sie haben. Du wirst erleben, dass dort wo die Belastung entsteht, auch oft direkt Ideen zur Lösung des Problems erdacht werden – in deinem Team.
Übrigens signalisierst du mit regelmäßigen Gesprächen deine Wertschätzung und förderst so fast nebenbei das Zugehörigkeitsgefühl deiner Mitarbeitenden zu deinem Team und zum Unternehmen. Dadurch werden deine Teammitglieder dir Loyalität entgegen bringen und sehr wahrscheinlich auch positiv über das Unternehmen als Arbeitgeber sprechen. So machen sie direkt Werbung für dich als Arbeitgeber. Klingt genial und ist es auch!
Du trägst Verantwortung für das Wohlbefinden
Die psychische Gesundheit deiner Mitarbeitenden ist weit mehr als nur Privatsache. Sie ist ein entscheidender Faktor für die Leistungsfähigkeit und Zufriedenheit im Job – und damit auch für den Erfolg deines Unternehmens. Du trägst eine immense Verantwortung, psychische Belastungen zu identifizieren und zu reduzieren. Denn nur in einem Umfeld, das sowohl die körperliche als auch die seelische Gesundheit schützt, können deine Mitarbeitenden ihr volles Potenzial entfalten.
Ich finde, es ist schon lange an der Zeit, dass wir uns diesen Aspekt der Fürsorge bewusster machen, ihn ernst nehmen und in jedem Unternehmen, egal welcher Größe, entsprechende Maßnahmen implementieren. Denn gesunde, motivierte Mitarbeitende sind die Grundlage für nachhaltigen Erfolg.
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